Theater des Rechts

Das Mittelalter: ein Zeitalter, in dem sich Grausamkeiten und Kriminalfälle nur so häuften.

Gezeichnet wird der Fall einer Frau, nennen wir sie für die Erzählung der Einfachheit halber Helene. Helene mag vermutlich zum ärmlichen Teil der Soester Bevölkerung gehört haben, genaues Wissen über ihre Herkunft haben wir nicht. Genau wissen tun wir auch nicht, welche Beweggründe sie veranlasst haben, diverse Diebstähle in Soest zu begehen. Wir wissen auch nicht, was sie genau gestohlen hat und wie geschickt sie sich dabei angestellt haben mag. Wie man als Leser bemerkt, liegt der Fall ziemlich diffus. Fest steht aber, Helene wurde erwischt.

Helenes Schicksal war es „wie gebräuchlich auf den Markt gebracht“ zu werden, um dort über Nacht auf dem Soester Pranger zu stehen. So stand sie da gefesselt und konnte von jedem Soester Bürger, der vorbeikam, angegafft werden. Bloßgestellt musste sie vermutlich Verspottung und Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Mitleid und Mitgefühl für ihre Situation gab es wohl nicht. Mit jeder weiteren Minute sank ihr soziales Ansehen und sie wurde mehr und mehr zum „Spektakel der Leute“.

Als die Nacht auf dem Pranger für Helene vorbei war, schien es zunächst für sie überstanden zu sein. Sie wurde zwar öffentlich gedemütigt, aber sie war noch am Leben, nicht selbstverständlich in ihrer Zeit. Doch als Menschen kamen, band man sie nicht etwa los und ließ sie frei. Nein, man hatte vor, sie nach dem Pranger an ein Rad zu binden. So kam es, dass Helene in Soest „bei den Rädern zu Tode gebracht wurde“. Eine qualvolle und entehrende Hinrichtungsform, bei der zunächst Helenes Knochen durch das Wagenrad gebrochen und dann ihr Körper durch die Radspeichen geflochten wurde.

Auch wenn das Mittelalter schon lange vorbei ist, ein Teil von Helenes Geschichte hat die Zeit bis heute überdauert. Das Fundament des Prangers, auf dem sie einst stand, befindet sich noch heute unterhalb des östlichen Marktplatzes. Es besteht aus außen flachen und verschiedenförmigen Steinen, die sauber an der Sichtkante gesetzt wurden. Innen wurde die Fläche mit Bruchsteinen aufgefüllt. Insgesamt ergibt sich ein achteckiger Grundriss mit 1,4 Metern Kantenlänge und einer Höhe von min. 1,15 Metern. Dabei ist anzumerken, dass die Unterkante noch nicht ergraben wurde und die exakte Höhe des Prangers nicht bekannt ist. Der Soester Pranger hatte vermutlich noch einen Holzaufbau zu bieten, der für mindestens drei Personen Platz bot, wie eine Art Bühne. Sowie einen Pfahl, an dem Helene festgebunden wurde.

Da sie so wehrlos den Blicken der restlichen Soester Bürger ausgesetzt war, etablierte sich in Soest die Bezeichnung „Kak“ oder „Kax“ vom Wort „kaken“, das so viel wie „gaffen“ bedeutet, für den im Jahr 1469 erstmals schriftlich erwähnten Soester Pranger. Wer am Pranger stand, wurde vorgeführt und verspottet – konnte beschimpft, bespuckt oder geschlagen werden. Einher ging diese Bestrafung mit dem Verlust von sozialem Ansehen und Ehre. Daher als „Ehrenstrafe“ bezeichnet, war diese Bestrafung im Mittelalter eine der wenigen, die nicht direkt zum Tode führten. Bei Helene war der Pranger nur Vorstrafe. Sie wurde 1586 als weitere Bestrafung gerädert, um das Böse endgültig aus ihr zu vertreiben.

Quellen

  • Gerhard Köhn, Neue Soester Stadtgeschichten (Soest 2008) 35 bis 58.
  • Wilhelm Lindemann, Das Soester Strafrecht bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts (Pölitz 1939) 39.
  • Walter Melzer (Hrsg.), Handel, Handwerk, Haustiere – Zur Geschichte von Markt und Tiernutzung in Soest. Soester Beiträge zur Archäologie 7 (Soest 2007) 22-23.
  • Wolfgang Schild, Folter, Pranger, Scheiterhaufen – Rechtsprechung im Mittelalter (München 2010).

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