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Vortrag: Ein Schritt aus dem Fegefeuer – Die heilswirksame Funktion spätmittelalterlicher Altäre in Soester Kirchen, insbesondere ihrer Altarbilder, im Kontext der Laienfrömmigkeit des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts
16. November 2021 um 19:30 – circa 21:00
Es gibt in Deutschland heute nur wenige Orte, wo in den Kirchen noch so viele große Altäre mit prächtigen Altarbildern aus dem Spätmittelalter vorhanden sind wie in Soest. Allein in der Wiesenkirche gibt es drei von ihnen in unmittelbarer Nachbarschaft. Heute schätzen wir sie, weil sie den Kirchenräumen eine besondere Atmosphäre verleihen, oder sie interessieren uns aus kunsthistorischen Gründen. Für die Soesterinnen und Soester des 15. und des beginnenden 16. Jahrhunderts waren sie dagegen von besonderer religiöser Bedeutung. Sie wollten an und vor ihnen durch persönliche Bittgebete, die meist auf etwas, was auf den Altarbildern dargestellt wurde, bezogen waren, für sich oder Verstorbene eine besondere Heilswirksamkeit erreichen. Ziel war es vor allem, eine Verkürzung der Verweildauer im Fegefeuer zu bewirken, jenem Straf- und Transitort, wohin, wie man damals glaubte, alle „normalen“ Christinnen und Christen für eine Weile kommen würden, bis ihre noch nicht getilgten Sündenstrafen unter Qualen abgebüßt sein würden. Gebete und Messen an und vor den Altären sollten die rasche Gnade bringen und einen schnellen Aufstieg in das Paradies ermöglichen, wenn man unerwartet und unvorbereitet verstarb. Das war für viele Menschen damals angesichts eines raschen Todes durch Seuchen wie die Pest oder heute heilbare Krankheiten eine durchaus alltägliche Gefahr. Persönliche Bittgebete in großer Zahl ohne Assistenz eines Geistlichen sollten es den Laienchristen ermöglichen, den Weg zum Heil selbstbestimmt und individuell zu gestalten und den Wunsch nach naher, schnell wirkender Gnade eigenverantwortlich zu erfüllen.
Referent: Joachim Grade